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Full text of "Plica nigra, ein neuer Leguan vom Guaiquinima Tepui (Venezuela) (Sauria, Iguanidae)"

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SPIXIANA 14 2 L 229—234 München, 1. Juli 1991 ISSN 0341—8391 


Plica nigra, ein neuer Leguan vom Guaiquinima Tepui (Venezuela) 


(Sauria, Iguanidae) 
Von Helmut Mägdefrau 


Mägdefrau, H. (1991): Plica nigra, a new lizard from the Guaiquinima Tepui 
(Venezuela) (Sauria, Iguanidae). — Spixiana 14/2: 229—234 


A description of a new species of the genus Plica Gray 1831 is given: Plica nigra, 
spec. nov. This species is closely related to Plica plica and characterised by a complete 
black upside with only small light spots. The new species differs also from Plica plica 
in smaller size and specific behaviour. It was found only on the top of the Guaiqui- 
nima Tepui (Venezuela) on the rocks along a river at an altitude of 780 m. 

Key words: Sauria; Iguanidae; Plica nigra, spec. nov.; taxonomy; Venezuela. 


Dr. Helmut Mägdefrau, Zoologische Staatssammlung, Münchhausenstraße 21, 
W-8000 München 60, Germany 


Einleitung 


Die Gattung Plica Gray 1831 wurde erst in jüngerer Zeit von Etheridge (1970) revidiert. Bisher sind 
zwei Arten, P. plica (Linnaeus 1758) und P. umbra (Linnaeus 1758), bekannt. Während einer Expedi- 
tion auf den Guaiquinima Tepui im Februar 1990 wurde eine weitere Art entdeckt, die bezüglich ihrer 
Morphologie P. plica sehr ähnlich ist, sich in Größe und Färbung jedoch erheblich von dieser unter- 
scheidet. 


Plica nigra, spec. nov. 
Abba 


Typen. Sie befinden sich in Maracay (EBRG), München (ZSM) und Stuttgart (SMNS). Holotypus: juv., Guai- 
quinima Tepui (Venezuela) 63°33’40" W, 5°45'50” N, 780 m NN, col. H. Mägdefrau Febr. 1990. — Paratypen: 
4 Exemplare, EBRG — 2519, ZSM 97/1990 a, ZSM 97/1990 b, ZSM 97/1 990c, SMNS 7817, alle mit Daten wie Ho- 
lotypus, Col. SMNS 7817 jedoch A. Schlüter. 

Derivatio nominis. Plica, lat., Falte, bezieht sich auf die gut sichtbaren Hautfalten längs des Körpers; nigra, lat., 
schwarz, beschreibt die Grundfärbung der Oberseite. 


Diagnose. Eine mittelgroße Echse mit einer Gesamtlänge bis 275 mm. Körper und Kopf stark abge- 
flacht. Hals stark eingezogen, mit Gruppen vergrößerter, stacheliger Schuppen besetzt. Rückenkamm 
vom Nacken bis mindestens zum ersten Schwanzviertel. Lateralfalte. Gesamtes Tier oberseits 
schwarz mit kleinen hellen Flecken, unterseits weiß bis lachsfarben. 


Beschreibung 
Holotypus: Jungtier mit einer Kopf-Rumpflänge von 67 mm, Schwanzlänge 116 mm. Kopf groß, 
stark abgeflacht, Kopflänge 30% der Kopf-Rumpflänge, Kopf 1,3mal so lang wie breit. Kopf so lang 


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Abb. 1. und 2. Plica nigra, spec. nov. Holotypus, vom Gipfelplateau des Guaiquinima Tepuis (5°45’50" N, 
63°33'40" W). 1. Dorsalansicht; 2. Ventralansicht. 


wie die Tibia. Hals stark eingezogen. Vordere Zähne konisch, seitliche Zähne dreispitzig. Die „Eck- 
zähne“ im Oberkiefer schwach vergrößert. Rostrale rechteckig, fünfmal so breit wie hoch, von oben 
sichtbar. Rostrale rückwärtig begrenzt durch 5 (Paratypen: +—5) kleine Schuppen, seitlich durch die 
ersten beiden Supralabialia. + große Supralabialia, das letzte unter dem Zentrum des Auges. Nasale 
oval mit dorsolateraler Nasenöffnung. Nasale vom Rostrale und ersten Supralabiale durch eine Schup- 
penreihe getrennt. Lorealschuppen von unten nach oben an Größe zunehmend. 1 großes Canthale, 
vom Nasale durch 1 (Paratypen: 1—2) kleine Schuppe getrennt. Canthus rostralis deutlich ausgeprägt. 

5 (Paratypen: 5—8) deutlich vergrößerte, gekielte Subokularia, von den Supralabialia durch vier 
(Paraty pen: 3—4) Reihen von Schuppen getrennt. Temporalregion mit rhomboiden, gekielten Schup- 
pen, deren Spitzen nach vorne gerichtet sind. Ohröffnung oval, so groß wie das Interparietale, mit 
einer dornig beschuppten vorderen und einer glatten hinteren Begrenzung. Trommelfell deutlich ein- 
gesenkt und gut sichtbar. Augenlider mit kleinen Schuppen. Pupille rund. Schuppen auf der Schnauze 
klein, nach hinten größer werdend, unregelmäßig geformt, leicht konisch oder gekielt. 

Supraorbitalhalbkreise deutlich, bestehend aus links 11, rechts 8 (Paratypen: 8— 12) meist gekielten 
Schuppen; sie berühren sich in der Mitte. Interparietale groß, etwa dreieckig, !⁄ (Paratypen: 1/4) 
so breit wie der Kopf, durch eine Schuppenreihe von den Supraorbitalhalbkreisen getrennt. Supra- 
okularregion mit 5 (Paratypen: 5-6) seitlich verbreiterten Schuppen, durch 2-3 Reihen kleiner 
Schuppen von den Supraorbitalhalbkreisen und den Supraciltaria getrennt. 5 vergrößerte nach hinten 
innen gerichtete und 2 nach vorn gerichtete Supraciliaria; sie sind innen und außen durch eine Reihe 
vergrößerter Schuppen begrenzt und bilden mit den Supraciliaria und dem Canthale eine hervorsprin- 
gende Kante. 


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Menthale klein, breiter als lang, rückseitig begrenzt durch 4 (Paratypen: 3—4) kleine Schuppen. 
Links 5, rechts 6 (Paratypen: 4—6) meist stark vergrößerte rechteckige Infralabialia, die vordersten am 
größten. Kinnschuppen klein, rhomboid und glatt, ihre vordere Begrenzung imbrikat. Schuppen auf 
der Kehle noch kleiner, imbrikat und stachelig. Kehle mit 1 Längs- und 2 Querfalten, deren vordere 
seitlich am Hals hochzieht. Die hintere, unmittelbar folgende Querfalte zieht, über den Oberarm hin- 
weg, dorsolateral den gesamten Körper entlang. Auf der Seite des Halses 3 Gruppen vergrößerter 
Schuppen mit ausgeprägten Stacheln, 2 davon dorsocaudal und 1 ventral der Ohröffnung. Ein Rük- 
kenkamm, 4 Schuppen hinter dem Interparietale beginnend, reicht bis auf das erste Viertel des 
Schwanzes und ist am Nacken am größten. Dieser Kamm besteht vom Beginn bis zum hinteren Rand 
der Hinterbeine aus 75 (Paratypen: 70—76) Schuppen. 

Dorsalıa klein, stachelig, an Größe zum Bauch hin abnehmend. Die Stacheln der Dorsalia oberhalb 
der Lateralfalte bilden nach hinten zur Mitte verlaufende Reihen. Ventralia so groß wie die Dorsalia, 
glatt, imbricat. 150 (Paratypen: 140—152) Schuppen um die Körpermitte, Praeanalplatte mit kleinen, 
unregelmäßig geformten, glatten, imbrikaten Schuppen. Praeanal- und Femoralporen fehlen. Schup- 
pen auf der Oberseite des Schwanzes gekielt, imbrikat, mit nach hinten zur Mitte spitz zulaufenden 
Enden. Im vorderen Viertel des Schwanzes ist die Vertebralreihe vergrößert. Schuppen der Unterseite 
schwach gekielt, imbrikat, in Längs- und Querreihen angeordnet. Schuppen des Schwanzes in Wirteln 
gruppiert; im vorderen Bereich sind pro Wirtel 4 Ventralia und 5 (Paratypen: 5-6) Dorsalia, im hin- 
teren Teil 4 Ventralia und 7 Dorsalia hintereinander angeordnet. 

Lebendfärbung der Oberseite vollständig schwarz mit kleinen weißen Flecken, die einen Durch- 
messer von maximal 3 Schuppen aufweisen (Abb. 1). Diese weißen Flecken sind auf dem Körper, den 
Extremitäten und dem Schwanz in Querbändern angeordnet. Bauchseite weiß bis lachsfarben 
(Abb. 2). Kehle ım Bereich der Längsfalte dunkel. Färbung der Alkoholpräparate bisher wie Lebend- 
färbung. 


Bemerkungen zu den Paratypen 


Die noch lebenden Exemplare unterscheiden sich, wie beschrieben, nur wenig vom Holotypus, wo- 
bei ZSM 97/1990b ebenfalls ein Jungtier ist. ZSM 97/1990a ist ein adultes Männchen mit einer Kopf- 
Rumpflänge von 95 mm und einer Gesamtlänge von 270 mm, ZSM 97/1990c ein Weibchen mit einer 
Kopf-Rumpflänge von 75 mm und einer Gesamtlänge von 210 mm und SMNS 7817 eın vermutlich 
vor kurzem geschlüpftes Jungtier mit einer Kopf-Rumpflänge von 35 mm. 


Bemerkungen zur Abtrennung von Plica plica 


Plica nigra weist, wie beschrieben, eine Reihe von Merkmalen auf, die bei P. plica äußerst selten 
sind. Hierzu gehört die Trennung des Nasale von Rostrale/Supralabiale durch nur 1 Schuppe entgegen 
normalerweise 2—3 Schuppen bei P. plica. Die reduzierte Anzahl der dorsalen Schwanzschuppen pro 
Wirtel weisen nur drei der fünf P. nigra auf. Somit konnte von der Beschuppung her kein eindeutiger 
Unterschied zu P. plica nachgewiesen werden. 

Eindeutig zu unterscheiden ist P. nigra von P. plica durch die oberseitige Schwarzfärbung (Abb. 3), 
die sowohl frisch geschlüpfte als auch adulte Tiere von P. nigra zeigen. Jungtiere von P. plica besitzen 
manchmal eine Schwarzfärbung (Häussler 1988), die jedoch durch große, helle Flecken bzw. Bänder 
unterbrochen ist. Halbwiichsige und erwachsene P. plica sind dorsal bräunlich bis grünlich gefärbt 
(Abb. 4 und 5). Diese Färbung beschreiben auch Beebe (1944), Häussler (1988) und Hoogmoed 

1973). 
| a wesentlicher Unterschied besteht in der Größe der Tiere. Während P. plica eine Kopf- 
Rumpflänge von 140 mm (Hoogmoed 1973) bis 155 mm (Vanzolini 1972) aufweist und auch im Basis- 
lager am Fuß des Guaiquinima Tepuis ein Männchen mit 145 mm Kopf-Rumpflange gefunden wurde, 
erreicht P. nigra lediglich eine Kopf-Rumpflänge von 95 mm. Zumindest war dies die Maximallänge 


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Abb. 3. Plica nigra, spec. nov., adultes Männchen mit typischer dorsaler Schwarzfärbung. 
Abb. 4. Plica plica vom Tiefland des Guaiquinima Tepui (5°37' N, 63°34’ W). 


Abb.5. Plica plica vom Rio Mavaca (2°10' N, 65°10’ W). 


der auf dem Guaiquinima beobachteten Population von 20—30 Exemplaren. Das fast eingestellte Län- 
genwachstum des adulten Männchens, dessen Gesamtlänge ın 11 Monaten der Gefangenschaft um nur 
2 mm zunahm, bestätigt die geringe Maximalgröße. Die Jungtiere wuchsen in dieser Zeit um 20 bis 
25 mm. Zudem hat das kleinste erbeutete Jungtier von P. nigra mit einer Kopf-Rumpflänge von 
35 mm eine deutlich geringere Größe als P. plica mit 45 mm bei frisch geschlüpften Exemplaren 
Hoogmoed 1973). Auch die vor kurzem abgelegten Eier weisen mit 12x25 mm eine deutlich ge- 
ringere Größe auf als die von P. plica mit 19X35 mm (Haussler 1988). 

Wie auch P. plica und P. nmbra zeigen die Männchen P. nigra am Bauchende sowie an der Unter- 
seite der Oberschenkel Flecken mit dunkelgelben, wachsigen Absonderungen. 

Auch bezüglich des Verhaltens waren Unterschiede festzustellen. Während alle P. nigra unterein- 
ander auf Drohgebärden reagieren, zeigen die im selben Terrarium gehaltenen P. plica (1 Männchen 
vom Basislager, 1 Pärchen aus Guayana) nur in Ausnahmefällen eine solche Reaktion, dann nämlich, 
wenn cine P. nigra wenige Zentimeter vor dem Kopf einer P. plica das Kopfnicken ausführt. Die Ver- 
folgung von Weibchen durch adulte Männchen als Bestandteil des Sexualverhaltens war ebenfalls nur 
innerhalb der Gruppe von P. nigra oder P. plica zu beobachten. Dies deutet auf artspezifische Verhal- 
tensunterschiede zwischen P. nigra und P. plica hin, die durch die räumliche Isolation des Guaiqui- 
nima-Gipfelplateaus vom Tiefland zustandegekommen sein dürften. Derartige Verhaltensbarrieren 
sind oft schon vor morphologischer Differenzierung wirksam und weisen auf echte biologische Arten 
hin (Mayr 1975). Hier wird die Bedeutung der Terrarienhaltung deutlich, die neben der Erforschung 
der Lebensweise auch der systematischen Einordnung der untersuchten Tiere dient. 


Habitat und Lebensweise 


P. nigra konnte nur in einem Lager auf der Gipfelfläche des Guaiquinima Tepui gefunden werden. 
Die Tiere waren tagsüber auf den Felsflächen direkt am oder in der Nähe des Flusses anzutreffen. Am 
späten Nachmittag verkrochen sie sich in Felsspalten. Der benachbarte Wald wurde offensichtlich ge- 
mieden. Diese felsbezogene Lebensweise ist bei P. plica bisher nur selten beobachtet worden (Beebe 
1944), hingegen — soweit bisher bekannt — typisch für P. nigra. 

Die Temperaturen betrugen während unseres Aufenthaltes nachts mindestens 17° C und tagsüber 
höchstens 34° C. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt vermutlich 3000 mm (Snow 1976). Teil- 
weise lückenhafte Messungen auf der Gipfelfläche des Guaiquinima mit einer automatischen Meßsta- 
tion der Elektrizitätsgesellschaft EDELCA während der letzten 10 Jahre ergaben Niederschlagsmen- 
gen um 4500 mm/Jahr (unveröff.). 

Eine Nahrungsaufnahme konnte in der Natur nicht beobachtet werden. Im Terrarium fressen 
P. nigra neben Ameisen viele andere Insekten und deren Larven, manchmal sogar Regenwürmer. 


Danksagung 


Die Expedition wurde durchgeführt von FUDECI (Fundacion para el Desarrollo de la Ciencias Fisicas, Mathe- 
mäticas y Naturales). Besonderer Dank gilt Dr. Eugenio de Bellard Pietri für die vorbildliche Durchführung der 
Expedition und Rodrigo Väsquez für seine stete Hilfe. Herrn Dr. U. Gruber und Herrn Dr. A. Schlüter danke ich 
für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Finanziell unterstützt wurde die Expedition von den Freunden der 
Zoologischen Staatssammlung München. 


Zusammenfassung 


Beschrieben wird eine neue Art der Gattung Plica Gray 1831: Plica nigra. Diese Art ist eng mit Plica plica ver- 
wandt und zeichnet sich durch eine fast vollständige Schwarzfärbung auf ihrer Oberseite aus. Neben der Färbung 
unterscheidet sich P. nigra von P. plica auch durch eine geringere Körpergröße und artspezifische Verhaltenswei- 
sen. Soweit bekannt kommt P. nigra nur auf dem Guaiquinima Tepui (Venezuela) vor und lebt auf Felsflächen ent- 
lang eines Flusses in einer Höhe von 780 m NN. 


Resumen 


Se describe una nueva especie del genero Plica Gray 1831 : Plica nigra. Esta especie es pariente de Plica plica. En 
la parte superior de la cara es complétamente negra con pequenas manchas blancas. Ademäs P. nigra es mas pequena 
que P. plica y tiene comportamiento diferente. P. nigra se encontro al lado de un rio sobre rocas, en la cima del tepui 
Guaiquinima, Venezuela, en una altura de 780 m. 


Literatur 


Beebe, W. 1944. Field Notes on the Lizards of Kartabo, British Guiana, and Caripito, Venezuela. Part 2. Iguanidae. 
= Zoologica, N. Y. 29 (18): 195-216 

Etheridge, R. 1970. A review of the South American Iguanid lizard genus Plica. — Bull. Br. Mus. Nat. Hist. (Zool.) 
19 (Ae 2394S 

Haussler, F. 1988. Zur Haltung und Nachzucht des Stelzenläuferleguans Plica plica (Linné 1758). — Sauria 10 (1): 
13—16 Berlin 

Hoogmoed, M. S. 1973. Notes on the herpetofauna of Surinam IV. — Biogeographica IV: 1—419. W. Junk Pub- 
lishers, The Hague 

Mayr, E. 1975. Grundlagen der zoologischen Systematik: 1-370. — Parey Verlag, Hamburg 


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Snow, J. W. 1976. The climate of northern South America Pp. 295—404 in W. Schwerdtfeger: Climates of Central 


and South America. — Elsevier, Amsterdam 
Vanzolini, P. E. 1972. Miscellanous notes on the Ecology of some Brasilian'lizards (Sauria). — Papéis Avulsos Zool. 


26 (8): 83—115. Sao Paulo 


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